historisch, beschaulich, charmant

Vortrag von Professor Dr. Roland Wielen über die Ursprünge Ersheims im 8. Jahrhundert

Im Rahmen des Jubiläums zur 1250-Jahrfeier begrüßten die Freunde der Hirschhorner Altstadt e.V., Herrn Professor Dr. Roland Wielen aus Eberbach zu einem Vortrag mit ganz besonderem Inhalt.

Forschten doch Herr Professor Wielen und seine Frau Ute über die Ursprünge der Besiedelung Ersheims und veröffentlichten dazu im Jahr 2021 eine Forschungsarbeit mit dem Titel:

„Die frühmittelalterliche Siedlung Ersheim am Neckar und die Richgeres-Sneida im Odenwald.“

Welcher Ort wäre für solch einen Vortrag und diesem Thema besser geeignet, als die Ersheimer Kapelle und dies auch noch am Sonntag des Kirchweihfestes nach dem Gottesdienst.

Der Vorsitzende der Altstadtfreunde Reiner Lange begrüßte die sehr zahlreich erschienenen Besucherinnen und Besucher. Darunter auch Herrn Bürgermeister Martin Hölz.

Besonders bedankte sich Lange bei Herrn Professor Wielen, dass er sich bereit erklärte, seine Forschungsergebnisse einem breiteren Publikum im Jubiläumsjahr in Hirschhorn zu präsentieren.

So erfuhren auch die ‚alt-eingesessenen‘ Hirschhorner Bürgerinnen und Bürger doch völlig neue Aspekte zu den Anfängen Ersheims.

So ist die Besiedelung Ersheims im 8. Jahrhundert  nicht ohne die politischen Umstände in der damaligen Zeit zu verstehen. Im 8. Jahrhundert regierten die Frankenkönige und führten einen knapp hundertjährigen Missionierungs- und Expanisonskrieg gegen die Sachsen (Anmerkung: im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Gebiete des heutigen Niedersachsen), welche letztlich von Karl dem Großen endgültig unterworfen wurden.

Straßen und Verkehrswege gab es in der damaligen Zeit nicht, und so gestaltete sich ein ‚Reisen‘ durch den Urwald hindurch als äußerst mühsam. Um im Kriegsfalle, die Soldaten schnell an das jeweilige Kriegsgebiet heranzuführen, wurden vermutlich besondere Wegstrecken angelegt. Dabei handelte es sich um gerodete und unbefestigte Waldwege, die nur für Fußgänger und Tragetiere aber nicht für Karren geeignet waren. Ein solcher ‚Weg‘ lässt sich in unmittelbarer Nähe von Ersheim anhand von Dokumenten aus den Jahren 831 und 1012 belegen. Die Richgeres-Sneida – also eine Waldschneise (vermutlich nach einer Person mit Vornamen Richger genannt) – war ein solcher Weg, der sich im Odenwald von Süden nach Norden erstreckte.

Sobald der Heerzug vom jeweiligen Gebieter angeordnet wurde, mussten die Bauernkrieger schwer bepackt und zu Fuß den langen Weg ins Kriegsgebiet antreten. Ausgestattet mit Waffen, Kleidung und Lebensmitteln sollten diese möglichst rasch zu den anderen Truppenteilen herangeführt werden. Dabei handelte es sich um ‚Freie‘ und nicht um Leibeigene, die für Ihre Ausrüstung und Verpflegung selbst aufkommen mussten. Vermutlich entstand Ersheim als Servicestation vor allem für diese Krieger aber auch für andere Benutzer auf der Richgeres-Sneida. So ist davon auszugehen, dass dieser Service auch die Überfahrt über den Neckar mit kleinen Booten beinhaltete. War der Neckar doch ein ‚wilder‘ ungezähmter Fluss mit vielen Gefahren, was eine besondere Geschicklichkeit beim Übersetzen mit Booten erforderte.

Ein Punkt der die These von der Service-Station stützt, ist die Tatsache, dass sich die Ersheimer Siedlung relativ isoliert von den anderen Siedlungen im Elsenzgau befand und der Boden für Ackerbau wenig geeignet war.

Quellen von den Ursprüngen Ersheims und er Richgeres-Sneida im 8. Jahrhundert sind

rar. Erstmals nachweislich urkundlich erwähnt wurde Ersheim in Loscher Codex von 773. Die Forschenden gehen jedoch davon aus, dass der Beginn der Besiedelung Ersheims bereits in den Jahren 740-750 erfolgte.

Es wird angenommen, dass die Siedlung zur damaligen Zeit ca. 40 Personen (Leibeigene und Freie) mit ca. 10 Häusern umfasste.

Professor Wielen zeigte anhand von Kartenmaterial den angenommenen Verlauf der Richgeres-Sneida. So verlief diese wohl auf dem Bergkamm zwischen den Bächen Finkenbach und Gammelsbach (‚Hirschhorner Höhe‘) und setzte sich über die Hirschhorner Steige nach Schönbrunn fort dann westlich vorbei Haag und weiter südlich nach Waldwimmersbach zum Zentrum des Elsenzgaus.

Nach dem 40minütigen interessanten und kurzweiligen Vortrag erhielt Herr Professor Dr. Wielen anhaltenden Applaus und beantwortete im Anschluss noch einige Fragen.

Die Freunde der Hirschhorner Altstadt bedankten sich ebenfalls mit einem kleinen Präsent bei dem Referenten und auch Bürgermeister Martin Hölz ließ es sich nicht nehmen und überreichte Herrn Wielen  eine kleine Aufmerksamkeit im Namen der Stadt. Herr Professor Wielen übergab im Gegenzug Herrn Bürgermeister Hölz ein ausgedrucktes Exemplar der Forschungsarbeit.

Die Altstadtfreunde möchten sich auch bei all denen Bedanken, die diesen Vortrag in diesem besonderen Rahmen überhaupt möglich gemacht haben. Neben dem Referenten ist hier besonders Herr Pfarrer Sijoy zu nennen, der als Hausherr die Kapelle zur Nutzung gerne überließ. Weiterhin zu danken ist dem ganzen Team der katholischen Pfarrgemeinde für die jederzeit freundliche Unterstützung, Herrn Ebert von experience-Veranstaltungstechnik für die Licht- und Tontechnik und der Sparkassen-Stiftung für die Beteiligung an diesem kulturellen Event.

Nach der Veranstaltung gab es bei den zahlreichen Gästen noch etliches zu diskutieren und so nutzten viele die Gelegenheit das Mittagessen auf der Ersheimer Kerwe einzunehmen.

Weitergehende Informationen:

Die Forschungsarbeit ist ausschließlich digital erschienen und kann kostenlos über die Universität Heidelberg bezogen werden.

Literatur:

Roland Wielen und Ute Wielen:

Die frühmittelalterliche Siedlung Ersheim am Neckar und die Richgeres-Sneida im Odenwald – Universität Heidelberg, HeiDOK, Heidelberg 2021

Persona:

Professor Dr. Roland Wielen ist emeritierter Professor der Universität Heidelberg. Seit 1963 war Herr Wielen am astronomischen Recheninstitut tätig. In der Zeit von 1978-1985 war er Direktor des Instituts für Astronomie und Astrophysik an der technischen Universität Berlin. Ab 1985 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2004 war Professor Wielen Direktor des astronomischen Recheninstituts in Heidelberg. Seine 2021 verstorbenen Frau Ute arbeitete zunächst als wissenschaftliche Assistentin an der Sternwarte Babelsberg und nach Ihrer Flucht aus der DDR an der Freien Universität Berlin. Ab 1963 war sie am Institut für theoretische Astrophysik tätig. Als besondere Ehrung wurde ein kleiner Planet zwischen Jupiter und Mars nach ihr benannt.

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